Wenn ich morgens aufstehe, dann starte ich in Gedanken oft sofort damit, meine gesamte To-do-Liste für den Tag durchzugehen.
Bei den ersten Tätigkeiten bin ich gedanklich ebenfalls ganz woanders: Das Wachwerden funktioniert irgendwie nebenbei, während mein Kopf auf Hochtouren nachdenkt. Beim Frühstücken schreibe ich eine Einkaufsliste, beim Zähneputzen gehen mir neue Ideen für einen Beitrag durch den Kopf und die ersten Notizen dazu mache ich, währenddessen ich mich anziehe.
Ich dachte immer, dass Multitasking zeitsparend und praktisch wäre.
Bis mir dann irgendwann aufgefallen ist, dass diese Lebensweise eine dunkle Schattenseite hat: Seitdem ich nahezu jede Sekunde nutze, um Arbeiten zu erledigen und die nächsten Schritte zu planen, vergesse ich ziemlich viel. Denn: während ich bestimmte Situationen im Auto-Pilot-Modus erlebe und mit den Gedanken ganz woanders bin, nehme ich die aktuelle Situation nur beiläufig wahr. So entstehen "Fehler beim Abspeichern".
Alle Informationen die wir aufnehmen, wandern ins Kurzzeitgedächtnis. Dort werden die aufgenommenen Reize und Informationen zwischengespeichert, um anschließend entweder ins Langzeitgedächtnis verschoben zu werden, oder um Unwichtiges zu vergessen.
Das heißt:
Sind wir während der Informationsaufnahme abgelenkt, dann wird die neue Information mit einer anderen, nämlich der bewusst wahrgenommenen Info, ersetzt.
Beispiel:
Du erzählst deiner Freundin von dem interessanten Date am Mittag und dass ihr euch in 2 Tagen wieder treffen wollt. Anstatt aufmerksam zuzuhören, schaut sie andauernd auf ihr Smartphone, tippt zwischendurch, scrollt, schaut hoch zu dir, nickt, stimmt dir zu, lacht und wendet sich wieder ihrem Smartphone zu.
2 Tage später, nach deinem Date, schaust du auf dein Handy und entdeckst 10 WhatsAppnachrichten von deiner Freundin. Sie hat dich wohl zufällig mit dem Mann im Café sitzen gesehen und scheint ganz aufgeregt: "Du hast ein Date???? Warum hast du mir nichts davon gesagt? Ich will ALLE Infos!!"
DU denkst dir nur 🤦...
Zwar gehöre ICH nicht zu den "Medienzombies", wie die Handysüchtigen liebevoll von der Generation Ü60 genannt wird, dennoch bin ich abgelenkt: durch meine Gedanken.
Am Anfang vergaß ich nur Unwichtiges. Dann vergaß ich plötzlich einen Termin. Und dann noch einen. So etwas war mir zuvor noch nie passiert. Das war der Moment, an dem mir klar wurde: "Es reicht! Ich muss dringend etwas ändern!"
Herausforderungen begegnen uns allen im Alltag. Belastende Situationen werden oft nicht richtig verarbeitet, sondern zur Seite geschoben. Immer schon 3-4 Schritte im Voraus planen, Hektik, Stress,... sorgen für Überforderung, evtl. entstehen sogar Angstzustände, Schlafstörungen oder psychische Probleme. Dem kannst du jedoch vorbeugen, indem du achtsamer lebst.
Was bedeutet Achtsamkeit?
Achtsamkeit bedeutet, dass du bewusst all das, was um dich herum geschieht, wahrnimmst: den Moment in der Gegenwart erlebst, fühlst, riechst, schmeckst und siehst, was JETZT gerade passiert.
Achtsam zu sein bedeutet, mit den Gedanken genau da zu sein, wo sie sein sollten: nämlich im Hier und Jetzt. OHNE Ablenkung!
Was bewirkt Achtsamkeit?
Manchmal machen sich unsere Gedanken selbstständig und führen beispielsweise zu einer Reizüberflutung, Konzentrationsproblemen und Stimmungsschwankungen. Nicht nur hochsensible Menschen sind davon betroffen: irgendwann braucht jeder Kopf mal eine Pause!
Wenn du dich auf die Gegenwart fokussierst und dich nicht in den Fehlern und Problemen der Vergangenheit oder den unangenehmen Aufgaben, Terminen und möglichen Herausforderungen in der Zukunft verlierst, dann reduzierst du deinen Alltagsstress enorm!
Es hilft dir außerdem, gelassener zu reagieren und weniger vergesslich zu sein.
Wie funktioniert das mit der Achtsamkeit?
Vermutlich bist du es ebenfalls gewohnt viele Dinge auf einmal zu machen: beim ersten Kaffee nach dem Aufstehen überlegst du dir, mit welchem Trick du dein Kind heute aus dem Bett bekommst, du planst nebenbei das Mittagessen, denkst an die anstehenden beruflichen Termine, dass du den Geburtstag deiner Schwiegermutter nicht vergessen darfst, usw.
Deine gute Organisation schätzen alle so sehr an dir und auch du findest es wichtig, immer den Überblick zu behalten.
Wenn du mit den Gedanken jedoch überall bist, nur nicht im aktuellen Moment, dann verpasst du die kleinen Wunder, die um dich herum passieren, fühlst dich schnell ausgelaugt und hast Probleme zur Ruhe zu kommen.
Das lässt sich ändern, indem du täglich ein paar einfache Übungen in deinen Alltag integrierst. Dadurch holst du dich in das Hier und Jetzt, du erinnerst dich daran, den gegenwärtigen Moment bewusst wahrzunehmen und du nimmst für einen Moment Abstand vom "Funktionieren".
Um dir jeden Tag einen Moment Zeit für dich zu nehmen, gibt es verschiedene Möglichkeiten: Yoga, Atemübungen, Meditation, Traumreisen oder Achtsamkeitsübungen. Was für dich die ansprechendste Variante ist, kannst du in Ruhe für dich herausfinden.
Achtsamkeitsübungen
Achtsamkeit kannst du trainieren. Im Folgenden möchte ich dir 3 Übungen zeigen, die du einfach in deinen Tagesablauf einbauen kannst:
1. Übung: Eine regelmäßige Tätigkeit jeden Tag ganz bewusst erleben
Für diese Übung suchst du dir eine Tätigkeit aus, die du jeden Tag regelmäßig durchführst. Dabei konzentrierst du dich auf deine Wahrnehmung: sehen, hören, riechen, fühlen und schmecken.
Das kann zum Beispiel sein:
- Wach werden in deinem Lieblingssessel (Wie fühlt sich der Sessel an? Ist der Bezug warm oder kalt, hart oder weich? Wie hört es sich an, während du dich hineinsetzt? Ist der Sitzplatz eng oder großzügig? Hörst du von draußen die Vögel zwitschern?...)
- Kaffee kochen (Welches Geräusch macht die Kaffeemaschine? Qualmt es? Wie fühlt es sich an, wenn du dir den Kaffee einschüttest? Wie fühlt es sich an, wenn du deinen Kaffee mit Milch und/oder Zucker umrührst?...)
- Duschen/Baden (Welche Temperatur hat das Wasser? Wie fühlt sich die Feuchtigkeit auf deiner Haut an? Wie fühlt sich das Duschgel/ die Seife auf deiner Haut an? Wonach riecht es?...)
- Autofahren (Wonach riecht es im Auto? Welche Farbe haben die Bezüge? Wie fühlt es sich an, wenn du an das Lenkrad greifst? Welches Geräusch macht der Motor beim Starten?...
2. Übung: Alle Sinne wahrnehmen mit der 5,4,3,2,1- Übung
Schließe zunächst die Augen und atme tief. Atme wieder aus und beginne mit dieser Übung. Während du dich auf deine Sinne konzentrierst, atme ganz ruhig weiter.
Im Folgenden werden wir unsere Aufmerksamkeit auf bestimmte Dinge richten, die wir sehen, hören, riechen, fühlen und schmecken. Du kannst diese Dinge gedanklich benennen, du kannst sie aber auch laut aussprechen.
5 x sehen
Sieh dich um und benenne 5 Dinge, die du sehen kannst.
Bei mir ist es zum Beispiel eine Blumenvase, eine Tasse, ein Stift, ein Stuhl und ein Kissen.
4 x fühlen
Jetzt konzentriere dich auf deinen Körper und benenne 4 Dinge, die du fühlen kannst.
Bei mir sind es der weiche Teppich unter meinen Füßen, meine kalten Hände, meine kribbelnde Nase sowie der harte Stuhl unter mir.
3 x hören
Achte auf dein Gehör und benenne 3 Geräusche, die du wahrnehmen kannst. In meinem Fall sind es zwitschernde Vögel, fahrende Autos und ein tropfender Wasserhahn.
2 x riechen
Was meldet dir dein Geruchssinn? Benenne 2 Dinge, die du riechen kannst.
Ich rieche die frischen Brötchen vom Frühstück sowie den Eistee in meiner Tasse.
1 x schmecken
Zum Schluss ist dein Geschmackssinn dran: Benenne, was du schmeckst.
In meinem Fall ist es der Eistee, den ich zuletzt getrunken habe.
3. Übung: Volle Aufmerksamkeit auf einen Gegenstand
Diese Übung kannst du zu Hause oder auch im Freien machen. Suche dir dazu zunächst einen Gegenstand aus, mit welchem du dich in dieser Übung beschäftigen wirst. Hast du einen Gegenstand gefunden, dann schaue ihn dir ganz genau an:
- Woraus besteht er?
- Wie groß ist er?
- Welche Form besitzt er?
- Welche Farben kannst du erkennen?
- Besitzt er ein Muster?
- Kannst du das Objekt in die Hand nehmen?
- Wenn ja, wie schwer ist er?
- Welche Struktur kannst du fühlen?
- Wonach riecht der Gegenstand?
- ...
Wenn du jeden Tag eine Achtsamkeitsübung in deinen Alltag einbaust, wirst du schnell die positiven Folgen spüren: Du fühlst dich entspannter, gelassener und zufriedener. Aufgrund deiner bewussten Wahrnehmung erkennst du zudem deine Bedürfnisse schneller und achtest verstärkt auf dein Wohlbefinden.
Fazit
Achtsamkeit bedeutet
Du nimmst bewusst wahr: Du siehst, fühlst, riechst, schmeckst und hörst, was jetzt gerade ist, ohne Ablenkung.
Achtsamkeit bewirkt
- Du reduzierst Alltagsstress
- Du reagierst gelassener
- Du nimmst deine Bedürfnisse deutlicher wahr
- Du bist entspannter, zufriedener und glücklicher
- Kleine Hindernisse werfen dich nicht so schnell aus der Bahn
- Du schläfst besser
- Du fühlst dich fitter
Achtsamkeitsübungen sind einfach in den Alltag zu integrieren: ein kleiner Moment für dich mit einer großen Wirkung für dein Wohlbefinden!
Download
Hier habe ich die Achtsamkeitsübungen aus dem Beitrag für dich noch einmal kurz zusammengefasst, zum Abspeichern, Ausdrucken und Mitnehmen für deine kleinen Achtsamkeitsmomente zwischendurch:
Ich wünsche dir viel Spaß beim Ausprobieren der Übungen und vor allem viel Erfolg, um dauerhaft achtsam zu werden/bleiben!
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