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Die 2 Gesichter der Empathie

Als ich letztens mit einer Bekannten in einem Restaurant saß, redeten wir über das Kinderkriegen. Da ich schon mehr als ein Jahrzehnt Erfahrungen als Mama habe, fragte sie gewisse Dinge, die ich ihr natürlich freudig und verliebt beantworten wollte.

 

Schnell bekam ich allerdings das Gefühl, sie würde mir nicht zuhören. Ich blickte in ein emotionsloses, fast schon gelangweiltes Gesicht. Sie nickte gelegentlich und sagte, dass sie mich verstehen könne. Fehlende Empathie? Pure Gleichgültigkeit? Was war da los?

Emotionale Empathie

In dem Beitrag 10 Anzeichen, an denen du erkennen kannst, dass du empathisch bist, habe ich dir eine ganze Reihe an Merkmalen eines (emotional) empathischen Menschen gezeigt. Mit emotionaler Empathie kannst du dich in andere Menschen hineinversetzen, du verstehst ihre Gefühle nicht nur, du empfindest sie auch nach.

 

Ein fiktives Beispiel dazu aus dem Alltag:
Du sitzt an deinem Computer im Büro und freust dich über das schöne Wetter heute. Allerdings hast du das Gefühl, dass dich irgendetwas bedrückt, nur kennst du die Ursache dazu noch nicht.
Dann kommt deine Arbeitskollegin Emma herein. Du bemerkst sofort ihre Traurigkeit. Plötzlich spürst du das dringende Bedürfnis, für sie da sein zu wollen.

 

Also gehst du auf sie zu und fragst nach.

Dann bricht sie in Tränen aus und erzählt dir schluchzend, dass ihre Tante gestern gestorben sei. Dir kommen ebenfalls die Tränen und du fühlst diesen tiefen Schmerz in deinem Herzen.

 

Schließlich erzählt Emma dir von ihrer Tante, ihren gemeinsamen Erlebnissen, sowie ihrer starken Bindung zueinander. Du hörst aufmerksam zu und spürst, wie deine Kollegin sich langsam wieder fängt, bis sie dich schließlich dankbar in den Arm nimmt. Du hast Emma bei ihrer Trauerbewältigung geholfen, indem du einfach nur empathisch reagiert hast.

Kognitive Empathie

Mit kognitiver Empathie kannst du ebenfalls die Gefühle, Gedanken und Handlungsweisen der anderen verstehen. Allerdings empfindest du sie nicht selber.

 

Kognitive Empathie im Alltag, ein fiktives Beispiel mit bekannter Ausgangssituation:

Du sitzt an deinem Computer im Büro und freust dich über das schöne Wetter heute. Du fühlst dich völlig frei und zufrieden.

Dann kommt deine Arbeitskollegin Emma herein. Du wunderst dich, warum sie nicht grüßt und wirfst ihr einen erwartungsvollen Blick zu. Doch sie ignoriert dich.

 

Schließlich willst du auf dich aufmerksam machen. Du sprichst sie auf das wunderbare Wetter heute an und stellst klar, dass es einfach ein super Tag werden wird. Dann beginnst du, von deinem geplantem Date zu erzählen, welches du nach Feierabend haben wirst. Plötzlich bricht Emma in Tränen aus. Du schaust sie verwirrt an und reichst ihr ein Taschentuch. Vielleicht sind es die Hormone? Bestimmt hat deine Kollegin ihre Tage, denkst du dir. Denn dir ist da schließlich auch immer zum Heulen zumute.

 

Währenddessen sich Emma die Nase putzt, schwärmst du weiter und zeigst ihr ein Foto auf deinem Handy. Du vermutest, dass sie einfach nur Ablenkung braucht. Deine Arbeitskollegin schaut dich an und teilt dir mit, dass ihre Tante gestern gestorben sei. Du sagst "Oh." und wirfst ihr einen bemitleidenden Blick zu. Schließlich sagst du, dass du verstehen kannst, wie es ihr jetzt geht und berichtest darüber, wie traurig du warst, als dein Hund letztes Jahr gestorben ist. Du erzählst ihr, wie du tagelang deswegen geweint hast und dass du voll verstehen kannst, wie sie sich jetzt fühlt.

 

Völlig gefasst und emotional unberührt begibst du dich wieder an deine Arbeit. Als du merkst, dass sie immer noch weinend mitten im Raum sitzt, bietest du ihr an, dass, wenn noch etwas wäre, sie jederzeit mit dir reden könne.

Die Wirkung auf andere

Eine Ausgangssituation und zwei verschiedene Reaktionsmöglichkeiten.

 

Im ersten Beispiel (emotionale Empathie) hast du mit deiner Arbeitskollegin mitgefühlt, du hast ihren Schmerz und die Trauer gespürt und hast ihr sehr geholfen, in dem du ihr zugehört und das Gefühl gegeben hast, dass du für sie da bist und sie auffängst mit ihrer Trauer. Du hast ihr Kraft gegeben und ihr gezeigt, dass sie nicht alleine ist.

 

Im zweiten Beispiel (kognitive Empathie) hast du verstanden, warum deine Kollegin so traurig ist: Es ist nun mal nicht schön, wenn man eine geliebte Person verliert. Du hast ihren Schmerz aber nicht selber gespürt, ganz im Gegenteil: Ihre Trauer hat dich ziemlich kaltgelassen. Du hast aus deiner Sicht alles getan, was du hättest tun können: Ihr ein Taschentuch gegeben und ihr gesagt, dass du sie verstehst. Außerdem hast du ihr angeboten, dass sie mit dir reden könne, falls sie Bedarf dazu hat. Auf deine Arbeitskollegin wirkt dieses Verhalten allerdings kalt, abweisend und empathielos.

Wenn man alles richtig macht und es dennoch falsch ist

Emotional bedeutet "vom Gefühl bestimmt". Du hast im ersten Beispiel instinktiv empathisch reagiert. Deine Kollegin fühlte sich seelisch in den Arm genommen von deiner einfühlsamen Reaktion. Du hast ihr instinktiv genau das gegeben, was ihre Seele in dem Moment brauchte.

 

Kognitiv bedeutet so viel wie "rational" und "vernünftig". Du hast im zweiten Beispiel, aus deiner Sicht, alles richtig gemacht: Es war sehr nett von dir, deiner Kollegin ein Taschentuch zu reichen und dich als Gesprächspartner anzubieten. Außerdem hast du ihr mitgeteilt, dass du sie verstehst und dass es völlig ok ist zu weinen. Auf rationaler Ebene also alles "nach Vorschrift erledigt". Warum hilfst du deiner Kollegin damit trotzdem nicht? Weil du nun mal keine Spur von Mitgefühl gezeigt hast.

Empathie als Gefahr

Die gute Nachricht: Empathie kann man erlernen!

Durch Beobachten und richtiges Interpretieren der Körpersprache, der Mimik und Gestik erhältst du viele Informationen über einen Menschen. Du verstehst, wie er oder sie gestrickt ist und kannst nach und nach "berechnen", wie er, bzw. sie sich verhalten wird (kognitive Empathie). Diese Form der Empathie kann sehr leicht erlernt werden.

 

Leider missbrauchen manche diese Fähigkeit, um andere zu manipulieren, Narzissten zum Beispiel: Übertriebene Komplimente, die dich von dem Narzissten emotional abhängig machen; teure Geschenke, die dir ein schlechtes Gewissen machen, sodass du den Wünschen deines narzisstischen Partners nicht widersprechen kannst; das Weinen auf Knopfdruck von ihm, welches dich daran hindern soll mit deinem Freund Schluss zu machen, usw.

Fazit

Emotional empathische Menschen verstehen deine Gefühle nicht nur, sie fühlen sie auch. Zudem haben sie das intuitive Bedürfnis, dir zu helfen. Durch ihre Reaktion fühlst du dich in den Arm genommen und wertvoll.

 

Menschen mit kognitiver Empathie hingegen wirken oftmals distanziert dir gegenüber. Zwar bieten sie dir ebenfalls Hilfe an und vermitteln dir, dass sie deine Beweggründe verstehen, dennoch hast du den Eindruck, als wären sie nicht fähig, richtig mit deinen Gefühlen umzugehen. Durch ihre Reaktion fühlst du dich oft unverstanden und einsam.

 

Da kognitive Empathie sehr leicht einstudiert werden kann, besteht die Gefahr, dass Menschen diese Fähigkeit ausnutzen, um zu manipulieren. Ein Narzisst missbraucht seine kognitive Empathie, um dich zu manipulieren.

In diesem Beitrag zeige ich dir 5 Charaktereigenschaften, an denen du einen Narzissten erkennen kannst.

Feedback

  • Ist eine deiner Beziehungen schon mit dem Satz gescheitert: "Du verstehst mich einfach nicht!"?
  • Hast du (kognitiv) empathisch reagiert, also "vorschriftsmäßig" alles richtig gemacht, doch dein Gegenüber war dennoch beleidigt?

Schreib es in die Kommentare und erzähle mir von deinen Erfahrungen.


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